
Und die Welt dreht sich unaufhaltsam weiter. Für sie gibt es keinen Stopp, kein Innehalten, kein Durchatmen, kein Trauern. Für sie ist der Alltag, was für uns der Untergang gewesen ist. Der Absturz aus dem trauten Leben, die Kehrtwende nach glücklichen Jahren. Vier Jahre ist es nun her, tut nicht minder weh, fällt nicht weniger schwer.
Wenn ein Mensch stirbt, der einem die Welt bedeutet, hat die Welt in Wahrheit ihre Bedeutung verloren. Und dann sitzt man da, hört Musik, stellt Kerzen auf die Fensterbank und zittert in sich hinein. Wenn die Welt mit einem Schlag aus den Fugen gerät und man selbst mittendrin ist, kann kein tröstendes Wort, kein Mitleid helfen, darüber hinwegzukommen. Damit leben zu können, mit dieser Bürde, dieser Geschichte, diesem Schmerz – das war meine Aufgabe. Und ich habe es wohl geschafft, habe meine Art der Therapie (nach einer wirklichen) in Form des Schreibens gefunden. Walk away habe ich diese Geschichte genannt, und erst als die letzten Worte geschrieben und das letzte Mal in großem Ausmaß geweint worden war, konnte ich dieses Erlebnis, in all seiner Dramatik und Unberechenbarkeit, annehmen, als das, was es ist.
All das hat mich wachsen lassen, hat mich wohl auch zu dem gemacht, was ich heute bin. Und vielleicht hat es mir auch dabei geholfen, an meine Träume zu glauben und an ihnen zu arbeiten. Aber andererseits hat es eines entstehen lassen. Diese Angst, während eigentlich großer Glücklichkeit. Die Angst, das mit einem Schlag alles anders, der Mensch an meiner Seite weg, der Mensch an meiner Seite tot ist. Das ist kein schönes Gefühl, bringt die Kälte zurück in mein Leben, macht mich unruhig, macht mich krank. Aber mein naiver Optimismus, der mein ganzes Ich bestimmt, holt mich dann wieder zurück. Irgendwie zumindest, denn ein Funken Angst bleibt.
Vergangenen Juni wärst du fünf Jahre alt geworden. Ich musste schmunzeln, als ich bemerkt habe, dass mir dein Todestag viel mehr in Erinnerung geblieben ist, als dein Geburtstag. Eineinhalb Jahre bist du alt geworden, seit vier Jahren nun schon tot. Die Welt ist so dermaßen ungerecht, so verflucht anders, als ich sie mir mit dir vorgestellt habe. Aber sie dreht sich weiter, die Welt. Unaufhaltsam. Und ohne Grund. Immer wirst du ein Teil meines Lebens bleiben, wirst mir nah sein. Immer wieder sprechen meine Freunde mit mir über dich. Und immer noch ist dein Button, der Schmetterling, auf meiner Tasche.
Es wäre schön, jetzt hier mit dir. Aber ich denke, das weißt du.