Weißt du, was ich mir wünsche? [24]

Wunderlampe. 18122010

Es ist kalt. Dicke Schneeflocken bahnen sich den Weg bis zu uns durch. Wir beide, aneinandergekuschelt, meine Hände in deinen Jackentaschen versteckt, meinen Kopf auf deiner Schulter, stehen da. „Endlich wieder einmal weiße Weihnachten.“, sagst du und ich murmle dir nur ein „Mhm.“ ins Ohr. Es ist schön, den ganzen Tag, wo jeder nur mehr gestresst und ohne Halt der Bescherung entgegenwütet, mit dir gemeinsam verbringen zu können. Uns lässt nichts mehr aus der Ruhe kommen.

„Ich freu‘ mich schon auf die leuchtenden Kinderaugen und…“ – „Auf die Geschenke?“, wirfst du ein. „Nein. Darauf nicht. Auf das Zusammensein mit der Familie. Auf Gespräche, die ansonsten nie stattfinden würden, auf Lachen, auf Kerzenschein, auf das Weihnachtsevangelium.“ – „So richtig christlich.“ – „Mhm. Irgendwie schon. Aber ich kann mir irgendwie Weihnachten nicht mehr ohne all dem vorstellen. Und die schrecklich falsch gesungenen Lieder und das hektische Austeilen der Geschenke.“

„Es ist schön, dass du heute Zeit hattest.“ – „Ich habe darauf gehofft, dass du anrufst, ob du noch schnell vorbeikommen würdest. Und ich hoffte, dass dein ’noch schnell‘ so wie immer sein wird.“ Wir gehen weiter durch die bezaubernd weiße Schneelandschaft. Vorbei an eingeschneiten Parkbänken, und vollkommen nackten, halb erfrorenen Bäumen. Bis du mich schließlich in den Schnee schubst und dich gleich daneben hinlegst. Du lachst, so wie du immer lachst, wenn dir etwas gefällt. Bewirfst mich mit dem Schneestaub, und wischt es mir mit der gleichen Handbewegung wieder aus dem Gesicht. Und ich, die eine Hälfte meines Kopfes im Schnee vergraben, um dir in die Augen zu sehen, sage nur „Danke. Danke, dass es dich gibt.“ Und du lachst. „Und danke, dass du es mit mir versuchst und danke, dass du es nun schon so lange mit mir aushältst.“ Du küsst mich.

„So ungleich wir auch sind. Weißt du … ich glaube, das macht das Besondere an uns beiden aus, glaubst du nicht?“ – „Mhm. Kann schon sein.“ – „Aber vor allem ist es, weil wir einfach beide so außergewöhnlich sind. Das erkennt zwar nicht jeder, aber Hauptsache, wir beide tun es.“, legst du schmunzelnd nach. Die Kälte zieht schön langsam in meinen Körper hinein und doch bleibe ich liegen. Hier neben dir, immer wieder deine in kuschelige Handschuhe eingepackten Hände an meinem Gesicht, immer mal wieder ein Kuss. Es ist schön und wohl das schönste Weihnachten aller Zeiten. Für immer. Und die Ewigkeit.

„Weißt du, was ich mir wünsche?“ – „Nein?!“ – „Dass es bitte immer so bleibt. Das wäre schön.“ – „Mhm, das wäre es.“ Es wäre wundervoll. „Und nein, das hat jetzt nichts mit Traumschlossbauarbeiten zu tun, mit einem neuen Ewigkeitsparadigma. Nein, es ist einfach nur so schön, dieses Gefühl, und dass ich mich mit dir so unglaublich gut fühle. Das schaffen nur wenige Menschen.“ Dein Kopf schmiegt sich an meine etwas mit Schnee bedeckte Schulter. Wir könnten so liegen bleiben. Doch irgendwann stehst du wieder auf, ziehst mich hoch und meinst: „Wir müssen Engel machen.“ Wirfst dich in eine noch unberührte Schneedecke und wedelst mit Händen und Beinen, um diese wunderbar kindliche Erinnerung wieder ins Gedächtnis zu rufen. Stolz springst du auf, hüpfst aus deinem Abdruck hervor und meinst: „Siehst du. Das ist es. Das ist etwas für die Ewigkeit.“ Und ich lächle nur mild und wir gehen weiter.

Nicht jetzt, nicht heute. Wohl nie. [1]

„Schneefahrbahn“, 29112010

„Wir sind falsch abgebogen“, meinst du und ich schrecke hoch, aus der Idylle, in der wir beide uns gerade befanden. Der Weg ist mir nicht vertraut und ich dachte ja nur. Dachte mir, dass dieser Weg uns nach Hause führen könnte. Doch er bringt uns immer nur weiter weg, und wir stapfen hinterher, den Spuren im Schnee folgend.

Unsere ersten gemeinsamen Schritte hier, in diesem Winter. Wir kennen uns schon so langem, und die Jahre sind schon an uns vorbeigezogen, wir wurden älter und ein Winter kam und ein anderer Winter ging. Deine Hand wärmt die meine, dein Blick schweift immer wieder zu meinem Gesicht. Wir haben uns verirrt. Wandern orientierungslos ins weiße Nichts. Doch. Es ist uns egal. Hilflos tapsen wir voran, streichen Schnee von den überladenen Holzbänken, die vereinzelt auf der Bildfläche auftauchen. Formen Bälle, schießen uns ab, fallen uns in die Arme, und hinein in die kalte Masse.

Formen Engel und rollen uns entgegen. Wischen uns die eben gelandeten Schneeflocken von unseren Wangen, und behalten die Finger etwas länger als nötig auf der Haut des anderen. Sehen uns in die Augen und hören nicht auf. Die Kälte tut uns nichts und wir denken erst gar nicht daran, von hier zu verschwinden. Es ist ein schöner, ein sonniger, aber doch kalter Tag mit dir. Der Worte war ich in deiner Anwesenheit sowieso noch nie wirklich mächtig. Und selbst Schweigen stellt eine Herausforderung für mich dar. Ich möchte dir sagen, was du mir bedeutet, dir erklären, wie wichtig all das für mich ist. Möchte dich küssen und dir zeigen, dass es mir wirklich ernst ist, und das nicht nur eine Spur vorweihnachtlicher Verliebtheit ist. Aber ich kann es dir nicht sagen. Nicht jetzt, nicht heute. Wohl nie.

Wir machen alles so wie immer und nichts verändert sich. Weil wir nicht dazu bereit sind und ich auch nicht. Wie viele Winter müssen wohl noch vorbeiziehen, bis ich es dir zu sagen bereit bin und du für die Antwort. Es ist kalt hier. „Wir sollten uns auf den Heimweg machen.“